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Studie des WWF

Beim Verbrauch von Wasser ganz vorn

Deutschland hat neben den USA und Japan den größten Bedarf, auch weil viele Lebensmittel importiert werden

Von Silvia LiebrichMünchen - Der Wasserverbrauch der Deutschen ist viel höher, als bisher angenommen. Etwa die Hälfte des Bedarfs entsteht indirekt durch die Einfuhr von Lebensmitteln und Industriegütern. Das geht aus einer unveröffentlichten Studie der Umweltschutzorganisation WWF hervor, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Pro Jahr verbrauchen die Deutschen damit dreimal so viel Wasser wie der Bodensee fassen kann.


Das unumstrittene Lieblingsgetränk der Deutschen ist Kaffee. Laut Statistik trinkt jeder Bundesbürger im Durchschnitt 2,8 Tassen am Tag - unter dem Strich ergibt dies einen Wasserverbrauch von genau 392 Litern. Das klingt zunächst unlogisch, stimmt aber trotzdem. Vorausgesetzt, man rechnet die Menge an Wasser ein, die etwa in einem Anbauland wie Brasilien benötigt wird, um die dafür notwendige Menge an Kaffee zu erzeugen. Indirekt werden so jedes Jahr knapp zehn Milliarden Kubikmeter Wasser importiert, nur um den Kaffeekonsum zu decken. Hochgerechnet auf alle Verbrauchsgüter verbrauchen die Deutschen jährlich dreimal so viel Wasser wie der ganze Bodensee fasst: insgesamt 160 Milliarden Kubikmeter.


Zwar geht der direkte Wasserverbrauch der Bundesbürger seit Jahren zurück - pro Person und Tag liegt dieser inzwischen bei 124 Liter, vor zwei Jahrzehnten waren es noch 144 Liter. Der tatsächliche Verbrauch liegt jedoch um ein Vielfaches darüber: "Umgelegt auf die Einwohnerzahl hat jeder Deutsche einen täglichen Wasser-Fußabdruck von 5288 Litern, was 25 Badewannenfüllungen entspricht", sagte WWF-Wasserexperte Martin Geiger.


Deutschland, das als eines der wasserreichsten Länder der Welt gilt, gehört damit neben den USA und Japan zu den größten Wasserverschwendern weltweit. Das belegt unter anderem auch eine Untersuchung der UN-Organisation Unesco aus dem Jahr 2004, in der die größten Wasserimporteure und -exporteure erfasst sind. Die Studie, die von der Umweltstiftung WWF an diesem Montag offiziell vorgestellt wird, analysiert erstmals umfassend den "Wasser-Fußabdruck", den Deutschland in der ganzen Welt hinterlässt - eine Rechnung, die nicht nur den direkten Verbrauch berücksichtigt. Sie schließt auch die Menge an Wasser ein, die im Ausland für die Produktion von Lebensmitteln und Industriegütern benötigt wird, die hierzulande verkauft werden.


Rund die Hälfte des deutschen Wasserbedarfs wird laut der WWF-Studie über ausländische Produkte importiert, mit steigender Tendenz. Besonders alarmierend ist aus Sicht des WWF, dass ein erheblicher Teil dieser Waren in Ländern hergestellt wird, die selbst unter chronischem Wassermangel leiden, wie etwa Spanien und die Türkei - mit verheerenden Auswirkungen, weil sich dadurch die Trockenheit weiter verschärft. Der WWF fordert deshalb eine konsequente Umsetzung der europäischen Wasserrichtlinie, die eigentlich sicherstellen soll, dass durch das Abzweigen von Süßwasser die Pegelstände von Flüssen, Grundwasser oder Feuchtgebieten nicht abgesenkt werden, eine Vorgabe, die bislang allerdings kaum Beachtung findet.


Nicht nur der WWF, sondern auch die Vereinten Nationen und die Welthandelsorganisation WHO warnen seit Jahren vor den Folgen eines unkontrollierten Wasserverbrauchs. So leidet etwa Spanien seit fünf Jahren unter einer anhaltenden Dürreperiode. 80 Prozent des verfügbaren Süßwassers versickern dort auf Ackerböden. Die Folgen des Raubbaus: ein sinkender Grundwasserspiegel, Flüsse, die immer weniger Wasser führen und eine wachsende Trinkwasserknappheit in großen Städten. Mit solchen Problemen kämpfen auch viele andere Mittelmeerländer, die zugleich Deutschlands wichtigste Lieferanten für Obst und Gemüse sind.


Ein Beispiel dafür ist das spanische Andalusien. Die Region gilt nicht nur in Europa, sondern weltweit als das größte Erdbeer-Anbaugebiet. Mehr als 60 000 Tonnen der roten Frucht wurden im vergangenen Jahr allein hierzulande verkauft. Die hohen Produktionszahlen wären ohne künstliche Bewässerung undenkbar. Das Wasser stammt zum großen Teil aus illegal gegrabenen Brunnen, von denen es nach offizieller Schätzung allein in der Region um die Stadt Huelva mehr als 1000 gibt.


Deutschland führt auf diesem Weg pro Jahr 1,8 Milliarden beziehungsweise 1,9 Milliarden Kubikmeter Wasser aus Spanien und der Türkei ein. Den größten Wasser-Fußabdruck hinterlässt Deutschland jedoch mit 5,7 Milliarden Kubikmetern Wasser in Brasilien; verantwortlich dafür sind vor allem die großen Mengen an Kaffee und an Soja für die Futtermittelindustrie, die das südamerikanische Land nach Deutschland liefert. Laut Geiger zählt Brasilien zwar zu den regenreichsten Ländern dieser Erde. "Trotzdem gibt es dort eine Wasserkrise", so der WWF-Experte. Grund dafür sei eine unkontrollierte Wasserverschmutzung, die als Hauptursache für viele ansteckende Krankheiten gilt.


Das meiste Wasser, das hierzulande direkt und indirekt verbraucht wird, entfällt mit 74 Prozent auf den Agrarsektor. Deutlich schlägt sich hier auch der hohe Fleischkonsum nieder: mehr als 50 Milliarden Kubikmeter Wasser finden allein in der Viehzucht Verwendung. Mit einem Anteil von 23 Prozent folgt die Industrieproduktion, der Wasserverbrauch von Privathaushalten fällt mit drei Prozent kaum ins Gewicht. (Kommentare)


Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.176, Montag, den 03. August 2009 , Seite 17
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